1) Warum ein Assistenzhund? – Wirkung & Nutzen
Was ein Assistenzhund leisten kann
- Früherkennung & Warnen: Wahrnehmung von Veränderungen in Geruch, Atmung, Bewegung; ggf. Vorzeichen bei Panik oder Anfällen.
- Response-Aufgaben: Medikamente bringen, Hilfe holen, zu sicheren Bereichen führen, Schutzraum schaffen.
- Unterbrechung („Interruption“): Sanfte Stupser/Tapping, Deep Pressure Therapy (Druck beruhigt), zu Coping-Routinen lenken.
- Struktur & Orientierung: Tagesroutinen, soziale Brücke, Motivation, draußen aktiv zu sein.
- Sicherheitsgefühl: Bessere Selbstwahrnehmung von Frühzeichen und mehr Teilhabe.
Grenzen
- Kein Ersatz für medizinische Behandlung oder Psychotherapie.
- Warnfähigkeiten sind nicht garantiert; Response ist verlässlicher trainierbar.
- Voraussetzung: Hundeverträglichkeit, Alltagstauglichkeit, realistische Erwartungen.
2) Assistenzhund, Therapiehund, ESA – die Unterschiede
- Assistenzhund: Für eine Person ausgebildet; konkrete Aufgaben zur Kompensation einer Behinderung; teils Zugangsrechte.
- Therapie-/Besuchshund: Arbeitet mit Fachkräften für Dritte; keine Sonderrechte im Alltag.
- ESA: Emotionale Unterstützung ohne Spezialausbildung; in vielen Ländern keine Sonderrechte.
Für Angststörungen, Schizophrenie oder Epilepsie ist meist ein Assistenzhund (psychiatrisch oder anfallsunterstützend) sinnvoll.
3) Einsatzfelder im Detail
3.1 Angststörungen (Panik, Agoraphobie, soziale Angst, PTSD)
- Frühwarnen bei steigender Anspannung.
- DPT: Kopf/Körper auf Oberschenkel/Brust → Puls & Muskeltonus sinken.
- Block/Behind/Guard: Abstand schaffen in Menschenmengen.
- Find Exit: Zum Ausgang führen, Distanz zu Triggern.
- Interruption: Dissoziation/Grübelschleifen unterbrechen.
- Medikations- und Routinereminder.
Wichtig: Nervenstärke, reizarme Präsenz, Freude an ruhiger Körperarbeit.
3.2 Schizophrenie (und andere Psychosen)
- Realitätsanker: „Check-in“-Signale (Antippen, Blickkontakt).
- Führen in sichere Orte, fern von Reizüberflutung.
- Routineunterstützung (Schlaf, Ernährung, Medikamente).
- Soziale Vermittlung für planbare Interaktion.
- Unterbrechung von Grübelschleifen durch Mini-Aufgaben.
Wichtig: Ruhige Präsenz, Vorhersehbarkeit, hohe Frustrationstoleranz.
3.3 Epilepsie
- Anfalls-Response-Hund: Reagiert ab Anfallsbeginn – sichern, Hilfe holen, Umgebung entschärfen, überwachen.
- Anfalls-Alert-Hund: Manche Hunde warnen Minuten bis Stunden vorher – nicht garantierbar.
Wichtig: Gelassenheit, körperliche Stabilität, Impulskontrolle; bei Alert zusätzlich feine Wahrnehmung und enge Bindung.
4) Welche Hunderassen werden besonders eingesetzt – und warum?
Leitprinzip: Individuum > Rasse. Zuchtlinie, Aufzucht, Temperament und Gesundheitschecks sind entscheidend; auch Mischlinge können exzellent sein.
Labrador Retriever
Menschenbezogen, hoher „Will-to-please“, stressresistent; top für Apport/Bringen, DPT und öffentliche Neutralität.
Golden Retriever
Sanft, kooperativ, körpernah – hervorragend für Beruhigungsaufgaben und Epilepsie-Response.
Pudel (Standard/Mittel)
Sehr intelligent, feinfühlig, wenig Haarwechsel; Standardpudel bietet Größe für DPT.
Pudel–Retriever-Kreuzungen
Kombinieren Trainierbarkeit mit Fellvorteilen; ideal bei Allergien (seriöse Zucht wichtig).
Collies (ruhige Linien)
Wahrnehmungsstark, leise Kommunikation; gut für feine Interruption-/Reminder-Aufgaben.
Deutscher Schäferhund
Führig, souveräne Präsenz; geeignet für Exit-Führung und Sicherungsaufgaben (gute Sozialisation nötig).
Mischlinge
Mit bestandenem Wesenstest und guter Gesundheit gleichwertig – häufig robuste Stadthunde.
Auswahlkriterien jenseits der Rasse
- Nervenfestigkeit & Umweltneutralität (Stadt, ÖPNV, Geräusche).
- Freundliche, nicht aufdringliche Sozialität.
- Kooperationsfreude (Spiel/Futter), gute Führigkeit.
- Körperbau & Gesundheit (HD/ED, Augen, Herz; ggf. Gentests).
- Fell & Pflegeaufwand; Allergien berücksichtigen.
- Alter: Oft bewährt ist der Start mit einem Junghund (10–18 Monate).
5) Ausbildung: Von der Eignungsprüfung bis zur Teamsicherheit
5.1 Eignungscheck
- Wesenstest (Startle-Recovery, Berührbarkeit, Spiel/Beute, Sozialverhalten).
- Gesundheitsscreening (HD/ED-Röntgen, Augen, Herz; rassetypische Gentests).
5.2 Grundausbildung (6–12+ Monate)
- Basissignale: Fuß, Sitz/Platz/Steh, Bleib, Rückruf, Leinenführigkeit, Leave it.
- Neutralität gegenüber Menschen/Hunden, Stabilität bei Reizen.
- Generalisation: Supermarkt, Bahn, Aufzug, Wartezimmer, Café.
5.3 Spezialisierte Aufgaben
- Angst/Schizo: DPT auf Signal, Interruption (Pfote/Touch), Block/Behind, Find Exit, Medikamenten-Reminder, „Go Settle“.
- Epilepsie: Response-Kette (sichern → Hilfe holen → bewachen). Alert nur individuell – nicht erzwingbar.
5.4 Team-Training
- Handler-Skills: Timing, Krisenplan, Öffentlichkeit, Pflege.
- Proofing: Aufgaben unter Ablenkung, an neuen Orten, mit Fremdpersonen.
- Ethik & Recht: sinnvolle Einsätze vs. Pausen/Off-Duty.
5.5 Prüfung/Rezertifizierung
Seriöse Programme prüfen jährlich: Gehorsam, Aufgaben, Gesundheit, Sozialverträglichkeit – Fortbildung inklusive.
6) Alltag, Sicherheit & Management
- Krisenkarte am Geschirr (Notfallnummern, Kurzanleitung).
- „Go-Bag“: Wasser, Faltschüssel, Medikamente, Ersatzleine, Kotbeutel, Handtuch.
- Pausen & Off-Duty: Fester Ruheort, klare Off-Switch-Signale.
- Tierärztliche Routine & Versicherung (Haftpflicht, ggf. OP/Krankenschutz).
- Selbstfürsorge: Hund ist Baustein – kein Allheilmittel.
7) Evidenz & Erwartungen
- Psychiatrische Assistenzhunde: wachsende positive Evidenz (Alltagsfunktion, Krisenbewältigung), Studienqualität heterogen.
- Epilepsie-Alert: Einzelfälle vielversprechend, ohne Garantie.
- Response-Aufgaben sind zuverlässig trainierbar und sollten Kern des Profils sein.
- Realistische Ziele: besseres Coping, mehr Teilhabe, sicherere Krisenbewältigung.
8) Kosten, Zeit & Auswahl seriöser Organisationen
- Kostenrahmen variiert: von Eigenausbildung mit Trainer:in bis zum komplett ausgebildeten Hund.
- Zeit: tägliches, kurzes Training; Sozialisation; kontinuierliche Nachschulung.
- Woran man Seriosität erkennt: transparente Eignungstests, Gesundheitsnachweise, klare Ausschlusskriterien, Team-Schulung, Nachbetreuung, Rezertifizierung, keine Versprechen von 100 % Anfalls-Voralarm.
9) Rasse-Kurzportraits
- Labrador Retriever: Allrounder – freundlich, stressstabil, task-orientiert.
- Golden Retriever: Kooperativ, körpernah – stark in Beruhigungsaufgaben.
- Standardpudel: Hochintelligent, sensibel – gut für feine Interruption.
- Pudel–Retriever-Mix: Größe + Allergiker-Option + Will-to-please.
- Collie (ruhige Linien): Achtsam, gute Distanzregulation – ideal für „Check-ins“.
- Deutscher Schäferhund: Führig, souverän – Exit-Führung, Sicherung.
- Mischlinge: Mit Wesenstest & Gesundheit gleichwertig.
10) Mini-Checkliste: Passt ein Assistenzhund zu mir?
- Konstanz: Tägliches Training, Pflege, Bewegung realistisch?
- Umgebung: Wohnung, Vermietung, Arbeitsplatz, ÖPNV hundetauglich?
- Ziele: 3–5 konkrete Aufgaben definierbar?
- Plan B: Wer versorgt den Hund im Notfall/Urlaub?
- Ethik: Hundewohl & Ruhezeiten gesichert?
11) Beispiel-Aufgabenpakete
Angst & Panik
- Anchor: DPT (Kopf auf Knie) 3–5 Min., danach „Release“.
- Block/Behind: 1 m vor dir, 0,5 m hinter dir für Raum.
- Find Exit / Lead Home: Ausgang/Heimweg mit fixen Orientierungs-Punkten.
Schizophrenie
- Stündliches „Check-in“ (Nasen-Touch), Routinekaskade (Getränk → Tablettenbox → Timer).
- Interrupt bei Grübelschleife: 3-Schritt-Spiel (Target → Sitz → Leckerli auf Matte).
Epilepsie
- Response-Kette: Sturzsignal → Down-Stay → Notfallknopf → Tür öffnen/Alarm geben.
- Recovery: Ruhiges Fußgehen 10–15 Min., Wasser bringen, Matte ansteuern.
12) Sicherheit, Hinweise & Fazit
- Hund zuerst: Pausen, Off-Duty, Stresssignale beachten, Maulkorbtraining für Notfälle.
- Transparenz: Sachliche Kennzeichnung („Assistenzhund – Bitte Abstand“); Zutrittsrechte respektieren.
- Fazit: Assistenzhunde können bei Angst, Schizophrenie und Epilepsie hochwirksame Alltagshelfer sein. Besonders häufig bewährt: Labrador, Golden, Pudel und ihre seriösen Kreuzungen; je nach Profil auch Collies, Deutsche Schäferhunde und geeignete Mischlinge. Entscheidend sind Temperament, Gesundheit, Ausbildung und Passung.
Kein Ersatz für medizinische Beratung: Wer einen Assistenzhund erwägt, sollte Ärzt:innen/Therapeut:innen einbeziehen und mit einer seriösen Assistenzhund-Organisation zusammenarbeiten.